Bewegtbild übernimmt das Internet. Werbetreibende haben sich darauf bisher noch nicht richtig eingestellt und folgen im Web noch immer tradierten Produktions- und Handlungsmustern. Dabei bedarf es neuer Strategien der Content-Produzenten zum Umgang mit dieser Entwicklung. Die US-Versicherung GEICO startete nun einen sehenswerten Versuch, mit der Bewegtbild- und Werbe-Plattform YouTube kanalspezifischer umzugehen.
Jeder hasst YouTube-Preroll-Werbung. Denn möchte man sich z.B. die neue Folge seines Lieblingstutorials ansehen, muss man sich dafür erst einmal – wie bei einem Türsteher – nach 5 Sekunden an einem Parfum-Spot vorbeimogeln. Das aktuelle Modell für die Schaltung von YouTube-Werbung besteht frustrierender Weise immer noch darin, aus dem TV übernommene Werbespots 1:1 und scheinbar wahllos auf die Preroll der angeklickten Videos zu setzen. Das irritierende Ergebnis: Die Skip-Rate der Spots liegt bei 94% (econsultancy).
Der Grund dafür ist einfach: TV-Spots – als glatt-getestete Unterbrecherwerbung für den TV-Context konzipiert – erzählen selten Geschichten, die die Zuschauer in den ersten 5 Sekunden in ihren Bann ziehen und neugierig auf mehr machen. Im Gegenteil: explizite Werbebotschaften enttarnen ihre Absender und deren Absicht in gefühlt ewig dauernden 5 Sekunden und fordern den gelangweilten Klick des Betrachters auf den „Skip this ad“-Button geradezu ein. Seltene Ausnahmen sind die mit hohem erzählerischem Geschick und entsprechendem Budget produzierten Superbowl-Commercials. Bemerkenswerter Weise sind letztere im Schnitt etwa drei Minuten lang und damit länger als je zuvor. Nutzer der Videoplattform sind offensichtlich bereit dazu, auch längere Werbeclips anzuschauen, solange sie eine interessante Geschichte erzählen.
Der US-Versicherer GEICO geht für sein Low-Involvement-Produkt daher einen neuen Weg. Das Unternehmen hat eine speziell auf YouTube abgestimmte Dramaturgie für seine neuen Preroll-Ads entwickelt. GEICO bringt darin die „explizite“ Preis-Botschaft schon in den ersten „unskippbaren“ 5 Sekunden an den Mann und die Frau. Dann überlässt man es charmant dem Betrachter, sich die absurden und im Detail witzig ausgestalteten Geschichten freiwillig bis zum Ende anzuschauen. Sogar das dauerpräsente Logo – üblicherweise ein lästiger Störfaktor für Kreative – hat dabei eine dramaturgisch wichtige Rolle bekommen. Das Ergebnis: eine sehenswerte kreative Auseinandersetzung mit YouTube als Werbeplattform – und ein viraler Hit zugleich.
tl;rd Massgeschneidert fürs Medium schafft Content mehr Aufmerksamkeit: Content und Context sind King – beide.
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