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KI am Mikrofon: Wie bigGPT das Radio revolutioniert

Am 8. August 2023 um 8 Uhr ging in Mannheim erstmals bigGPT auf Sendung. Ein innovatives Radioprogramm von Audiotainment Südwest, bei dem erstmals ausschließlich Künstliche Intelligenz (KI) die Moderation und die Musikauswahl übernimmt. Im Mittelpunkt des Programms steht bigLayla. Die mit Midjourney entworfene Moderatorin führt mit ihrer KI-generierten Stimme durch ein zweistündiges Programm. Wir sprachen im Rahmen der Recherche für die zweite Auflage unseres Buches „Content Creation mit KI“ mit Alexander Heine, Projektleiter Content von bigGPT: über die Neuerfindung redaktioneller Abläufe, zum Umgang mit Change und über eine neue Art der Empathie.

Alex, wie sehr generative KI die Audiolandschaft revolutionieren wird, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass auch der Klassiker unter den Audioformaten, das Radio, neue Facetten der Produktionsmöglichkeit bekommt. Alexander, was unterscheidet bigGPT vom klassischen Radio?

Alexander Heine: Wir haben uns vorgenommen, alles, was aus dem klassischen Radio kommt, zu vergessen und das Projekt bigGPT neu zu denken, auch strukturell. Es gibt keinen klassischen redaktionellen Ablauf, weil es kein 7/24 Programm ist, das von morgens bis abends mit Content bestückt wird. Wir mussten einen komplett neuen Workflow entwickeln, der auf dem Tool aufsetzt, mit dem wir diesen Stream produzieren. Das Programm besteht aus zwei Stunden Content, der in einer Schleife wiederholt wird, mit einem täglichen Update. Es gibt einen Redakteur am Tag, der das Update macht. Das heißt, er generiert mit Hilfe von KI-Technik die neuen Content-Bits, die in der Sendeschleife automatisch gegriffen und zur Ausspielung gebracht werden. Der Rest der Mannschaft kümmert sich um die Fortentwicklung und das Ausprobieren von neuen Sachen.

Alexander Heine ist Leiter Content bei bigGPT
Alexander Heine, Projekleiter Content bei bigGPT, erforscht mit seinem Team die Möglichkeiten der Audiokommunikation mit KI.

bigGPT – das ergebnisoffene Lernlabor

Ihr nennt es „Lernlabor“ bigGPT. Warum?

Alexander Heine: Wir hatten am Anfang des Projekts festgestellt, dass wir in der Qualität nicht weiterkommen. Wir waren auf der Suche nach der richtigen Stimme und der Antwort auf die Frage, wie KI-Moderation klingen kann. Dann wurde die Idee geboren: Was, wenn wir das zum Nukleus des Projektes machen? Also als ein ergebnisoffenes Lernlabor. Es wird ein ständiger Weg des Lernens sein. Daraus ist der Ansatz entstanden, dass wir über Erfahrung, Rückmeldung und Gespräche mit anderen in diesem Thema weiterkommen möchten. Am Ende war uns klar: Wenn wir uns nicht damit ausprobieren und nur im Theoretischen bleiben, dann werden wir nicht das finden, was wir suchen.

Welche Technologie setzt ihr ein bei bigGPT?

Alexander Heine: Wir haben das Futuri-Tool, mit dem wir arbeiten. Das ist im Grunde ein Content-Management-System, das im Hintergrund ganz viele verschiedene KI-Werkzeuge miteinander verknüpft. Da gibt es die Sprachsynthese von elevenLabs, in dem die Stimmen liegen – das ist eines von mehreren Beispielen. Da ist ChatGPT oder ein anderes Sprachmodell, das in der Lage ist, Text to Speech und Speech to Text zu generieren. Dazu kommt die Senderablaufsteuerung, die adressiert wird, um die in dem Tool produzierten mp3-Files in die Sendung zu integrieren. Und es gibt die Schnittstelle zwischen Senderablaufsteuerung, also unserem DABiS-System, und dem Futuri-Tool. Die beiden korrespondieren miteinander. Es ist ein Zusammenspiel von vielen einzelnen Teilen, die in einen automatisierten Prozess gebracht werden, sodass wir so wenig wie möglich aus menschlicher Perspektive in diesen Prozess eingreifen müssen.

Auf der Startseite von bigGPT grüßt Moderatorin bigLayla
bigLayla – die KI-Moderatorin von bigGPT, führt durchs KI-generierte Programm.

KI und die Gretchenfrage: Was bedeutet das für mich?

Apropos eingreifen: Wie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Projekt reagiert?

Alexander Heine: Aktuell arbeiten an dem Projekt bigGPT nur Menschen, die wirklich Lust darauf haben. Das ist die Prämisse. Keiner wird dazu gezwungen. Das halte ich auch grundsätzlich für wichtig und richtig, wenn es um ein Projekt wie bigGPT geht, bei dem wir Dinge erforschen und herausfinden wollen. Alles andere würde nur hemmen und nicht die Energie auf die Straße bringen, die notwendig ist – oder die Resilienz fördern, die notwendig ist, weil viele Dinge eben auch nicht beim ersten, zweiten oder dritten Mal funktionieren.

Was wir aber haben, ist natürlich die Gretchenfrage im Team: Wozu ist das gut? Welche Rolle soll KI in Zukunft in unserem Produktionsprozess spielen? Und was bedeutet das für mich persönlich? Das sind klassische Fragestellungen, die aus jedem Change-Prozess kommen. Jetzt ist KI einer der ganz großen Treiber für diese disruptiven Prozesse, die gerade stattfinden. Und da ist das Wichtigste der Dialog – der Dialog mit jedem Einzelnen, sich seinen Fragen gegenüber zu öffnen, sie ernst zu nehmen.

So reagiert das Publikum auf bigGPT

Die Stimmen von KI, die Musik von KI zusammengestellt: Wie reagiert die Hörerschaft auf das Projekt bigGPT?

Alexander Heine: Wir hatten am Anfang natürlich eine große Gruppe von Menschen, die einfach mal daran interessiert waren, zu hören, wie das denn klingt. Die Reaktion war fast immer zweigeteilt zwischen faszinierend und erschreckend, mit im Zweifel dem Faktor ernüchternd, weil man dann feststellt: Wenn ich das dauerhaft höre, dann fehlt diesen KI-Moderatoren eben doch die Seele. Es klingt kühl, mitunter ist die Betonung falsch. Es liegt gar nicht so sehr an der Aussprache, sondern es ist der emotionale Faktor, den diese KI-Modelle einfach nicht haben. Und das ist der Unterschied, der hörbar ist: In der KI brennt kein Feuer. Deswegen glaube ich, dass eine echte Moderatorin gegenüber der KI immer im Vorteil ist, bis man das wie auch immer auf ein anderes Level gebracht hat. 

Nachrichten, präsentiert von unserem KI-Newssprecher bigBen, der eine sehr kleine Amplitude in der Stimme hat, also eher sachlich moderiert, sind aber recht angenehm. Ich kann die Informationen damit gut aufnehmen, weil es mich nicht so ablenkt, und es sehr sachlich bleibt. Da hat diese KI-Stimme wiederum einen Vorteil. Aber auch ein Verkehrsdienst, der eine bestimmte Zeitspanne überschreitet, sagen wir drei Minuten, und so stoisch vorgelesen wird, kann dann zur Qual werden. 

Von da ist die Rückmeldung sehr vielfältig und absolut erwartbar gewesen. Sodass uns aber auch klar wird, an welchen Stellschrauben am Ende gearbeitet werden muss, wenn KI in einer Audioanwendung etwas werden soll, das ich als Hörer wirklich an ausgewählten Stellen nicht nur akzeptiere, sondern das mich sogar anzieht.

KI im Hipster-Look: bigBro chattet mit dem Publikum von bigGPT.
KI im Hipster-Look: bigBro chattet mit dem Publikum von bigGPT.

Kann KI Empathie?

Empathie habe KI keine, heißt es. Das unterscheide sie – noch – vom Menschen. Welche Erfahrungen macht Ihr bei bigGPT?

Alexander Heine: Wir haben ein fünfjähriges Kind mit bigLayla sprechen lassen. In dem Gespräch fragte das Kind: „Kannst du mir mal eine Packung Smarties schicken?“ Und bigLayla antwortete: „Das kann ich leider nicht, ich bin eine künstliche Intelligenz. Aber du könntest ja vielleicht eine Packung Smarties zeichnen.“ Und dann sagte das Kind: „Das kann ich aber nicht zeichnen.“ So, und dann ging das hin und her. Als Familienvater wäre ich nach dem dritten Widerspruch wahrscheinlich eingeknickt und hätte gesagt: „Hier ist die Packung Smarties.“ bigLayla dagegen gab in diesem Dialog nicht auf, die Kleine überzeugen zu wollen: „Hey, du musst nicht gut zeichnen können, dann mal was Einfaches. Wie wäre es mit einem Herz?“ Da malte das Kind ein Herz und sagte dann ganz stolz: „Papa, ich hab‘ ein Herz gemalt!“ Und dann kam von bigLayla tatsächlich: „Toll, du kleine Künstlerin!“

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bigLayla auf TikTok: Kann KI Empathie oder ist das nur die Logik des Sprachmodells?

Da sitzt man dann, wenn man es hört, und denkt: Wow! Das sind ja pädagogische Fähigkeiten! KI-Experten dagegen sagen: „Nein, das ist das Sprachmodell, das diesen Dialog einfach nur aus einer rhetorischen Perspektive heraus sehr formal und klug weiterführt.“ Aber die Qualität, die darin mitschwingt, ist eine Qualität, die wir uns Menschen manchmal für uns selbst wünschen würden. Es ist daher vielleicht so etwas wie eine technische Empathie, die KI entwickeln kann.

In der KI brennt kein Feuer. Deswegen glaube ich, dass eine echte Moderatorin gegenüber der KI immer im Vorteil ist.

Alexander Heine, bigGPT

1:1 News oder Lagerfeuer für die Community?

Der Individualisierung von Content scheinen dank KI kaum mehr Grenzen gesetzt. KI kann zukünftig jedem Menschen seine eigenen Nachrichten in seiner präferierten Sprache präsentieren. Glaubst du, dass es auch ein One-to-One-Radio mit individualisiertem Content geben wird?

Alexander Heine: Wenn wir User vorher in unserer App nach Präferenzen abfragen, im Sinne von: „Beantworte vorher 20 Fragen zu deinem Programm“, steigen die meisten aus und sagen: „Das will ich gar nicht, das ist mir zu anstrengend. Mach einfach, spiel einfach.“

Wir Medienmacher bieten ja seit jeher etwas ganz anderes: Wir verbinden die Menschen. Radio, Fernsehen und auch die Zeitung sind das Tor zur Welt. Wir geben Menschen etwas, über das sie danach mit anderen sprechen können. Wenn ich zu einem AC/DC-Konzert gehe, dann gehe ich dahin, weil ich mit 10.000 anderen den gleichen Moment erleben möchte. Es ist das gleiche Lagerfeuer, um das wir herumstehen. Und wenn das nicht synchron passierte, dann gäbe es ein echtes Problem. Da wird es also für uns ganz wichtig sein, abzuspüren: An welcher Stelle geht es um das Lagerfeuer, diesen verbindenden, eindeutigen, identischen Moment? Und wo geht es um individuelle Bedürfnisse? 

Vielen Dank für das Gespräch, Alex.

Lust, ins Programm mit bigLayla und bigKen reinzuhören? bigGPT gibt es im Stream oder in der App für unterwegs im Apple App-Store oder Google Play Store.

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Den ausführlichen Blick hinter die Kulissen von bigGPT gibt’s in der neuen Auflage des Handbuchs: Content Creation mit KI.


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